Mehta über Bocelli
"Andrea ist zu mir nach
Wien und nach Florenz gekommen, um alles am Klavier
durchzugehen, und später, um es mit dem Orchester zu proben.
Wenn Andrea mir bei den Orchesterproben zuhört, sitzt er da
und formt die Worte mit den Lippen. So bauen wir jede Arie
auf, und wenn wir sie dann schließlich aufnehmen, ist es eine
regelrechte Darbietung. Andrea ist wie ein Schwamm, aber nicht
in dem Sinn, dass er einfach alles tut was man ihm sagt. Es
wird schon auch diskutiert. Wenn ihm zum Beispiel ein
bestimmtes Tempo nicht behagt, fragt er mich, ob wir das nicht
etwas verändern können. In der Hinsicht bin ich flexibel.
Bislang hatten wir nur geringfügig unterschiedliche
Auffassungen und konnten uns immer freundschaftlich
einigen."
"Während der privaten
Proben haben wir über die vielen unterschiedlichen Stile
gesprochen, die auf dem Verdi-Album vertreten sind, und Andrea
ist sich dessen stark bewusst. Der einzige Verdi-Stil, der
hier fehlt, ist Othello, aber das ist noch etwas zu früh für
Andrea. Er hat wie Luciano Pavarotti, einen wunderbare Art,
den Text zu artikulieren. Verdi setzt die italienische Sprache
unglaublich geschickt ein, so dass sich bei der richtigen
Aussprache der Sätze der Rhythmus fast von selbst einstellt.
Durch die Musik und die Sprache wird der Rhythmus sehr klar,
und das ist einen große Hilfe für Andrea. Er ist auch
insofern sehr intelligent, als dass er genau weiß, wovon er
singt. Ich brauche ihn nie an die Handlung oder die Situation
der Passage zu erinnern an der wir gerade arbeiten."
"Andreas Stimme ist in
vieler Hinsicht außergewöhnlich. Zum einen hat er absolute
Kontrolle von forte bis pianissimo, und das bei jeder Note. Am
Ende von "Celeste Aida" singt er das hohe B zuerst
mit voller Stimme und schwächt sie dann bis zur Unhörbarkeit
ab, genau wie Verdi es wollte. Es gibt heute kaum einen
anderen Sänger, der das kann. Es ist sehr riskant. Und wir hätten
diese Phrase gar nicht fünfzehnmal für ihn wiederholen müssen,
um sie einmal richtig zu bekommen; es gelang ihm jedes Mal. Er
kann auch die Farbe eines Tones mitten in einer Phrase ändern,
ohne Luft zu holen. Das können die allerwenigstens. Davon träumt
doch jeder Dirigent: sich etwas zu wünschen und es zu
bekommen!"
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- Interview mit Andrea
Bocelli
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- Verdis Arien überwinden
nationale Grenzen und sind wunderbare Musik. Sie besitzen
eine immanente Kraft und vermitteln Gedanken, die
Ewigkeitswert haben. Ich glaube, das ist auch der Grund,
warum Verdi in aller Welt so bekannt und beliebt ist.
Verdi ist weitaus mehr als nur ein Romantiker, ich glaube,
seine Musik vermittelt Gefühle , die weit darüber
hinausgehen. Was Emotionen betrifft, gibt es in Verdis
Musik einfach alles. Ich glaube zu Anfang des 21.
Jahrhunderts ist es wichtiger denn je, junge Menschen für
alle Arten von klassischer Musik zu begeistern denn sie
vermittelt gewisse Werte. In einer Welt des Chaos, der
Sensationsgier und der ethischen Orientierungslosigkeit
kann die klassischen Musik eine heilsame, reine Medizin
sein, die uns auf eine bessere Zukunft für uns und unsere
Kinder hoffen lässt. Mit Maestro Mehta zu arbeiten ist
das reine Vergnügen, vor allem, weil man dabei so viel
lernt. Ich glaube, das Hauptziel eines Künstlers besteht
darin zu lernen. Wenn man nichts mehr lernt, ist die
Freude dahin.
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